Rätselhafter Corona-Effekt: Deutlich mehr Fälle verfrühter Pubertät
Über eine im Mittel immer früher einsetzende Pubertät berichten Mediziner schon seit einigen Jahrzehnten. Die Corona-Pandemie hat diesen Effekt noch deutlich verstärkt.
21.02.2024
«Es wurden 20 bis 30 Prozent mehr Fälle verfrühter Pubertät erfasst», so Bettina Gohlke von der Universitätskinderklinik Bonn. Das Phänomen sei weltweit aufgefallen, entsprechende Daten gebe es aus Europa ebenso wie aus den USA und China. Als verfrühte Pubertät wird die Entwicklung äusserer Sexualmerkmale bei Jungen vor dem vollendeten 9. und bei Mädchen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr bezeichnet. Bei den Mädchen entwickelt sich dann unter anderem die Brust. Eine Vermutung zum Corona-Effekt war darum, dass die frühere Entwicklung den Eltern eher auffiel, weil sie im Zuge von Schulschliessungen und Homeoffice mehr Zeit mit ihren Kindern verbrachten.
Möglich sei auch ein Zusammenhang mit höherer psychosozialer Belastung, erklärt Kinderendokrinologin Gohlke. Frühere Studien hätten ergeben, dass Kinder in solchen Situationen körperlich früher reifen. Diskutiert werde zudem ein Gewichtseffekt: Viele Kinder assen in der Pandemie mehr beziehungsweise bewegten sich merklich weniger – und Übergewicht gilt als einer der wichtigsten Faktoren für eine früh einsetzende Pubertät.
«Aber auch, wenn das Gewicht herausgerechnet wurde, blieb ein Plus an Fällen von Pubertas praecox», sagte Gohlke. «Vermutlich handelt es sich um einen multifaktoriellen Effekt.» Unklar sei bisher, ob er sich mit dem Abklingen der Pandemie wieder verflüchtige. (sda)